"Landespartei zerstört Arbeit vor Ort"

Veröffentlicht am 16.11.2012 in Presseecho

Gäuboteartikel vom 16.11.2012 Herrenberg: Bodo Philipsen greift baden-württembergischen SPD-Chef Nils Schmid in einem Brief scharf an Bodo Philipsen redet Klartext. In einem Brandbrief an Nils Schmid, SPD-Landesvorsitzender und Superminister für Wirtschaft und Finanzen in Baden-Württemberg, verlangt der SPD-Fraktionschef im Herrenberger Gemeinderat drastische Korrekturen am Kurs der Partei.

Im unter Genossen vertrauten "Du" schreibt Bodo Philipsen dem Landesvorsitzenden. "Mit großer Sorge" wende er sich als langjähriges SPD-Mitglied an Schmid. Philipsen: "Aus meiner Beobachtung gelingt es den Sozialdemokraten viel zu wenig, aus ihrer Regierungsbeteiligung politischen Nutzen zu ziehen. Es wird keine klare Linie, keine Politik in der Kontinuität in der Verfolgung politischer Ziele sichtbar, obwohl wir politische Schlüsselressorts besetzen konnten. War schon der Ausgang der letzten Landtagswahl desaströs - was leider nie ausreichend bearbeitet wurde, sondern eher in der Freude über den Regierungswechsel unterging -, so ist die politische Situation heute für die Sozialdemokraten im Land noch schlechter." In dieser Form würde der Landesverband zu einer echten Belastung bei den Bundestagswahlen. Die SPD mache die am Boden liegende CDU künstlich stark und die Grünen sonnten sich in immer neuer Strahlkraft. "Was mich als Kommunalpolitiker natürlich auch besorgt, ist, dass wir auch die Kommunalwahlen 2014 unter sehr schwierigen Bedingungen zu bestreiten haben", fährt Philipsen fort. Die aus seiner Sicht sehr erfolgreiche Arbeit vor Ort werde durch das Image der Landespartei zerstört. Es gelinge der SPD in der Regierung offensichtlich nicht, Themen positiv zu besetzen. In besonderem Maße spürt Bodo Philipsen dies für das Kultusressort. "Waren die Lehrer und Schulleiter nach dem Regierungswechsel fast euphorisch angesichts der Vorhaben der neuen Ministerin, so ist heute überall Unverständnis, ja Wut und Zorn festzustellen." Die Lehrerversorgung sei immer noch sehr problematisch, die Einsparungen auf Kosten der jungen Kollegen könne er nicht nachvollziehen und die strukturellen Reformen seien wenig klar und eindeutig. Philipsen: "Ich kann sowohl die Politik als auch die Stimmung gut beurteilen, da ich selber Schulleiter an einem Gymnasium bin. Wann endlich haben wir mit einer klaren Regelung bezüglich G 9 zu rechnen? Wann erhalten wir als Gymnasium eine echte Chance, an der Gemeinschaftsschule mitzuwirken?" Während in der Bildungspolitik noch klare eigene Ziele erkennbar verfolgt würden, meint der Herrenberger Sozialdemokrat, so sei dies im Ressort von Nils Schmid selbst "kaum auszumachen". In der kritischen Öffentlichkeit komme an, dass die neue Regierung - trotz historisch einmalig guter Steuereinnahmen - unfähig sei, zu sparen und mit den Haushaltsrisiken der alten Regierung nicht umzugehen wisse. Philipsen an den Landeschef: "Besorgt fragen wir uns, was aus den Risiken des EnBW-Kaufs oder aus Stuttgart 21 wird? Schon jetzt wird immer klarer, dass wir den vereinbarten Kostenrahmen für den neuen Stuttgarter Bahnhof nicht einhalten werden können. War schon die Position der Landes-SPD zu diesem Vorhaben vor dem Bürgerentscheid alles andere als glücklich, so wäre es jetzt fatal, wenn wir nun auch noch bereit wären, die schlechte Planung der Bahn den Steuerzahler zahlen zu lassen." Besonders empört ist der Herrenberger SPD-Fraktionschef über die personellen Entscheidungen im Schmid-Ministeriu: "Zum wiederholten Male mussten wir nun lesen, dass viele Stellen neu geschaffen werden, Stellen ausschließlich mit Sozialdemokraten besetzt werden und dabei Sprungbeförderungen gemacht werden, die so in anderen staatlichen Bereichen unmöglich sind, weil es immer eine Stellenbesetzungssperre gibt. Sicherlich hat die Presse das bei der CDU/FDP nie so herausgestrichen. Gerade aber auch, weil wir den schwarzen Filz beenden wollten, sind wir gewählt worden. Äußerst verheerend ist deswegen der Eindruck, dass nun das Gleiche in Rot geschieht." Mit Freude habe man in Herrenberg auch den Beschluss des Landesparteitages registriert, die unechte Teilortswahl bereits für die Kommunalwahlen 2014 abzuschaffen. Umso enttäuschter vernehme er jetzt, dass dies in dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht mehr vorgesehen ist. Bodo Philipsen: "Wir werden jetzt vor Ort den wesentlich mühsameren Weg eines Bürgerentscheids gehen müssen. Wir tun dies gerne, weil wir die direkte Bürgerbeteiligung befürworten, hätten uns aber gewünscht, dass landesweit dieses Relikt der Verwaltungsreform von vor 40 Jahren beseitigt worden wäre." Um aus dem politischen Keller herauszukommen, verlangt Philipsen von dem Landesvorsitzenden, dass die SPD für konkrete politische Vorhaben steht und diese professionell bewegt. Auch die Personalfrage wirft der Herrenberger auf: "Wenn dies noch durch Personen geschieht, die als Person überzeugen, umso besser. Ich denke, dass beides nicht nur aus meiner Wahrnehmung momentan nicht der Fall ist. Den Grünen gelingt es sehr viel besser, sich politisch und personell zu positionieren. Dass wir nun auch in der Landeshauptstadt den Grünen den Vortritt lassen müssen, ist nur ein weiteres Zeichen für diesen Prozess." Vieles sei sicherlich mit mangelnder Regierungserfahrung zu begründen, manches aber nicht. Noch ist es in den Augen von Philipsen Zeit, Konsequenzen zu ziehen. "Die Zeit läuft aber ab. Bundestagswahlen und Kommunalwahlen stehen demnächst bevor. Es ist höchste Zeit, dass die SPD mit einigen positiven Themen in den Augen der Bevölkerung verbunden wird und mit Personen auftritt, die durch ihr professionelles Handeln in der Regierung Autorität ausstrahlen. Die Bürger müssen spüren, dass die SPD eine solide Sacharbeit im Interesse des Landes verfolgt", schreibt Bodo Philipsen und schließt "mit solidarischen Grüßen von der Basis". -gb-

 

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