Chance für mehr Beteiligung vergeben

Veröffentlicht am 11.07.2008 in Presseecho

Kommentar von Harald Marquardt, Chefredakteur des Gäuboten vom 10.07.2008

Lokales

10.07.2008

Chance für mehr Beteiligung vergeben

Beirat für die Kernstadt SPD-Übervater Willy Brandt hat einst die Botschaft geprägt, die bis heute Richtschnur ist: Mehr Demokratie wagen. Dies Aufforderung gilt täglich.

Demokratie braucht die aktive Beteiligung aller Menschen. Demokratie braucht Transparenz der Entscheidungen. Demokratie lebt vom freien Zugang zur Information. Demokratie braucht eine ständige Plattform, auf der sich Meinungen artikulieren können. Und Demokratie braucht die Kontrolle der Mächtigen - durch die Bürger. Politische Strukturen müssen so ausgerichtet sein, dass es den Menschen leicht gemacht wird, sich einzumischen. Mit dem Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters in Herrenberg drängen die Sozialdemokraten in der Stadt ganz offenkundig darauf, dass wieder mehr Demokratie gewagt wird. So ist der Antrag der SPD zu verstehen, dass die informelle Runde der Fraktionsvorsitzenden in einen - auf die Spielregeln der Gemeindeordnung gegründeten - Ältestenrat umgewandelt wird. Entscheidungen sollen nicht im internen Zirkel vorprogrammiert werden, sondern für jeden nachvollziehbar sein. Ein ehrenwertes Anliegen, das eine Mehrheit fand.

Nicht minder nachvollziehbar ist der - allerdings abgelehnte - SPD-Vorstoß, auch für die Kernstadt einen eigenen Ratsausschuss zu berufen. Nach dem Motto: gleiches Recht für alle Teile der Stadt. Darüber zu diskutieren, ist völlig angemessen. Der Vorwurf, wie in der Ratsdebatte geschehen, Ressentiments zwischen Kernstadt und Stadtteilen würden von der SPD geschürt, geht fehl. Niemand muss so argumentieren. Der Kernstadt dasselbe Recht einzuräumen, bedeutet nicht, andere zu beschneiden oder zu benachteiligen. Genauso wenig wie die Arbeit der Ortschaftsräte für ihren Stadtteil gegen die Kernstadt gerichtet ist.

Der Ruf nach einer Kernstadt-Vertretung ist auch kein linkes Thema. Es wurde vor vielen Jahren schon in Herrenberg von einem strammen CDU-Gemeinderat aufgebracht, der sogar eine Normenkontrollklage anstrengte, um ein solches Gremium zu erzwingen. Eine Verpflichtung zu einem Kernstadt-Rat gibt es nicht, urteilten die Richter damals. Der Gemeinderat sei frei in seiner Entscheidung. Seit Dienstag ist klar, es bleibt in diesem Punkt bei der alten Linie, mit dem Einverständnis von Oberbürgermeister Thomas Sprißler: Die Mehrheit will keine zusätzliche Kernstadt-Vertretung - weil die Gemeindeordnung kein beschließendes, sondern nur ein beratendes Gremium zulässt, weil manche Themen schwer abzugrenzen sind und eine geringere Effizienz in den kommunalpolitischen Prozessen entstehe. Man hätte aber einfach auch nur ein Stück mehr Demokratie wagen und den Bürgern diese Plattform geben können. Kein Gremium muss beraten, wenn es nichts zu beraten gibt. So bleibt eben doch das Gefühl, dass der Grundsatz "gleiches Recht für alle" den pragmatischen Argumenten und den gewachsenen Strukturen unterworfen worden ist. HARALD MARQUARDT

Lesen Sie dazu auch den Artikel "Wäre bestenfalls Ortschaftsrat dritter Klasse" auf dieser Seite

Von Harald Marquardt

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