Bodo Philipsen: "Für neue Lernkultur "

Veröffentlicht am 26.06.2011 in Presseecho

Lokalpolitische Kolumne des Gäuboten vom 18.06.2011

Noch immer hängt der Bildungserfolg der Kinder in Deutschland so sehr vom Geldbeutel der Eltern ab wie in kaum einem anderen Land. Dieses Problem lösen wir nur, wenn wir in frühkindliche Förderung investieren, wenn wir die Kinder länger gemeinsam lernen lassen und wenn wir weniger die Aufgabe des Lernens in die Familie verlagern.

Aber gerade durch die Verkürzung der Schulzeit im G 8 haben die Schüler keine Zeit mehr im Unterricht zu üben, häusliches Nacharbeiten erhält zentrale Bedeutung. Wo die Eltern arbeiten oder aufgrund ihres Bildungsgrades nicht helfen können, sind die Kinder auf sich allein angewiesen. Deswegen boomt der private Nachhilfemarkt wie nie zuvor.

Die offene Ganztagsschule mit ehrenamtlichen Zusatzangeboten kann dies nicht lösen. Im Gegenteil: Sie spaltet weiter in die Kinder, deren Eltern es den Kindern ermöglichen, in Vereinen Sport zu treiben oder in der Musikschule ein Ins trument zu lernen oder die ganz einfach mit den Kindern ins Theater und ins Museum gehen. Und die Kinder, die dies alles nicht erlebt haben, die nie im Theater waren, keine Bücher daheim haben, deren Eltern gezwungen sind, arbeiten zu gehen, damit die Familie leben kann. Die einen schicken ihre Kinder nicht zu den Ganztagsangeboten, weil das Lernen außerhalb der Schule gut funktioniert und die anderen nicht, weil sie die Gebühren scheuen, die Notwendigkeit nicht erkennen oder das Stigma fürchtet: "Du musst in die Ganztagsschule." Ergebnis: Die Angebote in den weiterführenden Schulen werden kaum genutzt, wahrgenommen werden im Wesentlichen die Arbeitsgemeinschaften wie Chor und Theater, die es auch in der Halbtagsschule immer gegeben hat. Auch die Hoffnung durch schulartübergreifende Angebote Kinder verschiedener Schulen zusammenzu führen, hat sich leider kaum eingestellt. Eine pädagogische Verzahnung mit dem Unterricht, mehr Zeit für eine Lernkultur des Forschens und Entdeckens, des individuellen Förderns und Forderns ist nicht eingetreten. Deswegen denkt die neue Landesregierung nun darüber nach, Ganztagsschulen verpflichtend für alle zu machen und mehr in die Hand der Lehrer zu geben. Deswegen müssen wir in Herrenberg darüber nachdenken, ob es richtig ist, so viel Geld allein für die Verwaltung von Angeboten auszugeben, die kaum nachgefragt werden, ob es nicht sinnvoller wäre, das Geld für Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und eine verlässliche Betreuung auch an den weiterführenden Schulen mindestens bis Klasse 6 anzubieten. Kinder und ihre Eltern brauchen dringend ein Bildungsangebot für den ganzen Tag. Wir alle sollten auf der Grundlage der Erfahrungen darüber nochmals neu nachdenken.

 

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