Walter Fischer ist Ehrenvorsitzender der SPD Herrenberg

Veröffentlicht am 10.03.2013 in Ortsverein

Bodo Philipsen ,den 08.März 2013

 

Ich habe es schon oft gedacht: Gäbe es mehr vom Schlage von Walter in der SPD, die SPD müsste sich um ihre Zukunft an ihrem 150.Geburtstag weniger sorgen.

Konsequent und gradlinig folgt er seiner politischen Linie seit Jahrzehnten.

Seine hohe Glaubwürdigkeit entsteht aber nicht nur daraus, sondern er lebt, was er von anderen fordert.

Dabei stellt er immer seine Anliegen in den Vordergrund, nie seine Person. Eitelkeit ist nicht seine Sache, Überheblichkeit ist ihm völlig fremd. Politische Hahnenkämpfe hat er immer eher angewidert verfolgt, beteiligt hat er sich niemals daran.

Walter, deine kritischen Einwürfe sind Legende, deine zahlreichen Anträge für Parteitage haben der Herrenberger SPD über die Region ein Gesicht gegeben. Dennoch warst du dir nie zu schade, Plakate zu kleben oder Flugblätter zu verteilen. Du kennst die berühmte Kärrnerarbeit eines Ortsvereins, ohne allerdings je nach Höherem gestrebt zu haben.

Walter ist vor 40 Jahren, im Juni 1973, zur SPD gestoßen. Nein, die Parteimitgliedschaft wurde ihm nicht wie anderen von uns in die Wiege gelegt. Seine Eltern waren weder Proletarier noch Sozialisten. Es war wohl eher seine christliche Erziehung, mit der er letztlich seine Erfahrungen als Jugendlicher im Nationalsozialismus aufgearbeitet hat. „Nie wieder Krieg“, das war für ihn die Losung, die ihn einst zur Sozialdemokratie gebracht hat, weniger die Gerechtigkeitsfrage zwischen Arbeit und Kapital.

Von 1977 bis 1980 und wieder von 1983 bis 84 war er Vorsitzender der SPD in Herrenberg. Ironie der Geschichte, dass er gerade unter Helmut Schmid politische Verantwortung in der SPD übernahm, in einer Zeit also, als die SPD in der Regierung viele Entscheidungen wie den NATO-Doppelbeschluss oder die Verschärfung des Asylrechts traf, die er nicht begrüßte. Von 1984 bis 1994 war Walter 10 Jahre lang im Ortschaftsrat Kayh tätig und bewies, dass man auch mit klaren Positionen Wahlen in einem eher konservativen Ort gewinnen kann. Doch ich trete dir, glaube ich Walter, nicht zu nah, wenn ich behaupte, dass das Ringen um Kompromisse in örtlichen Gremien nicht unbedingt deine Sache war.

Als Willy Brandts  eine Politik der Aussöhnung mit den Opfern nationalsozialistischen Terrors betrieb,  war das für ihn eine Herzensangelegenheit.

Als die Sozialdemokraten mit dem NATO-Doppelbeschluss auf den Weg der atomaren Abschreckungspolitik einbogen, stand Walter mit vielen Tausend anderen auf der Straße, um diese Politik zu verhindern.

Als sich nach Tschernobyl die Gefahren der Atomkraft immer offenkundiger auftaten, war er einer der ersten, die sich in die Anti-Atomkraft-Bewegung einreihten. Früh montierte er mit Wolfgang Verse zusammen solare Anlagen auf die Dächer, um einer alternativen Energienutzung zum Durchbruch zu verhelfen. Dass er selber mit gutem Beispiel voranging und eine Anlage auf seinem Dach installierte, als von Rendite noch nicht die Rede war, das ist für ihn selbstverständlich.

Als sich Mitte der 90er Jahre tausende von Gemeinden im Rahmen der Agenda 21 auf den Weg machten, eine nachhaltige Entwicklung vor Ort umzusetzen, war Walter sofort dabei. In der Energiegruppe der Agenda hat er sich große Verdienste um die Sonnendächer in Herrenberg gemacht. Bis heute arbeitet er in dieser Gruppe aktiv mit. Immer wieder startet die Gruppe wegweisende Initiativen, die inzwischen von der Stadt aktiv aufgenommen werden.

Als die Planungen für den neuen Stuttgarter Bahnhof immer teurer wurden, da war Walter einer der eifrigsten Montagsdemonstranten. Ingenieur wie er ist, konstruierte er sein Protestschildchen so, dass man es im Zug nach Stuttgart zusammenfalten konnte, um es dann in der Landeshauptstadt wieder entfalten zu können. Angesichts der von ihm schon früh prognostizierten Kostensteigerungen wünschte man sich heute, die SPD nicht nur in Herrenberg hätte auf ihn gehört.

Früh kämpfte er aber auch für eine Reduzierung des Autoverkehrs und für mehr Öffentlichen Nahverkehr. Manche von euch erinnern sich vielleicht noch an sein Modell eines kreuzungsfreien Schickplatzes. Mit seiner Stimme konnten die Gegner der Nordumgehung rechnen. Er selber fuhr jahrzehntelang den gleichen grünen Golf, Symbol von Bescheidenheit und geringem Verbrauch gleichzeitig. Wer von uns fuhr schon ein Elektroauto. Walter habe ich damit in der Stadt getroffen.

Seine jüngsten Initiativen gelten dem Kampf gegen die Braunkohleverfeuerung des Herrenberger Asphaltwerkes Morof. Stadt und Gemeinderat hat er gewonnen für seine Petitionen gegen dieses Vorhaben beim Deutschen Bundestag und beim Europäischen Parlament.

85 Jahre, aber noch immer drahtig unterwegs, noch immer sicher in seiner Entscheidung, noch immer schlüssig und engagiert in seiner Argumentation.

Mit Karl Popper teilt Walter die tief sitzende Skepsis gegenüber allen geschlossenen Geschichtsentwürfen, weil sie die Offenheit der Zukunft nicht respektieren. Nicht wer herrschen sollte, interessierte Popper, sondern wie Macht ausgeübt wird, wie regiert wird, damit Menschen in Freiheit ein menschenwürdiges Leben führen können. Wie Popper ist auch Walter tief davon überzeugt, dass die unbeschränkte ökonomische Freiheit durch den Staat einen Rahmen gesetzt bekommen muss.

Anders als Popper ist Walter aber davon überzeugt, dass Politik von Werten, von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ausgehen muss. Nur wer klare Ziele hat, kann einschätzen, was ein Fehler ist und was richtig ist. Nicht die Nüchternheit, nicht die Sachlichkeit, nicht die Bescheidenheit sind es, die Walter von Angela Merkel trennen, sondern ihre nur pragmatische Politik des Durchwursteln, des muddle through. Das verbindet ihn mit Erhard Eppler, dem großen Vordenker der Sozialdemokratie. Erst wenn ich weiß, in welche Richtung ich mich bewegen will, was mein Ziel ist, kann ich entscheiden, welchen Weg ich dazu beschreiten will. Und Walter weiß auch, dass es keinen Menschen gibt, der in der Lage ist, in unserer zunehmend komplexeren Welt allein zu entscheiden. Nur der demokratische Diskurs vermag uns zu „richtigen“ Entscheidungen zu führen. Der Soziologe Ulrich Beck beschrieb schon 1993, dass die Politik in der globalen Risikogesellschaft ihre gewohnten Arenen verlasse, das Parlament, die Parteien, die Regierungen und in die „Subpolitik“ fliehe, in Bürgerinitiativen, Selbsthilfegruppen und soziale Bewegungen. Walter, das waren neben der Partei von früh an deine Betätigungsfelder. Du hast Einfluss gewonnen, nicht mit Mandaten, sondern mit deinem Engagement in außerparlamentarischen Initiativen. Diese Bewegungen haben den demokratischen Dialog vielfach nicht nur gefördert, sondern geradezu erst erzwungen, wenn man beispielsweise an Stuttgart 21 denkt.

Mit Max Weber teilst du, Walter,  die Überzeugung, dass das Streben nach Macht um der Macht willen nicht mehr Politik ist, so wenig wie das Verkünden einer besseren Welt ohne Macht Politik sein kann. Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß nannte Weber die großen Tugenden der Politik. Walter beherzigt sie in seiner politischen Arbeit, er lebt sie.

Bis in die 70er Jahre empfanden wir alle Wachstum an sich als Fortschritt, technische Entwicklungen als Zukunft. Als Ingenieur, der auch in den USA tätig war, hast du die Zäsur mit dem Bericht des Club of Rome rasch erkannt. „Wer Bewahrenswertes erhalten will, muss verändern.“ „Nachhaltigkeit“ wurde für dich zur Leitlinie deines politischen Handelns. Noch als 85-jähriger erregt dich nichts mehr als die Gewissenlosigkeit einer Politik, die die Zukunft der Menschheit durch Verschwendung aufs Spiel setzt.

In deiner Konsequenz, deiner Gradlinigkeit, deiner Vitalität bist du nicht immer einfach für uns als Partei. Da gibt es auch welche, die meinen, dass du mit deinen Haltungen ein Relikt der Epplerschen SPD bist, nicht mehr auf der Höhe der Zeit seist. Ich setze dagegen, wie alt sind die, die uns unter Schröder neoliberale Marktgläubigkeit als Stoff der Moderne verkaufen wollten. Wie alt sind die, die als junge Menschen Politik als pragmatische Sachentscheidungen ohne Alternativen ausgeben. Wie zukunftslos die, die ihre Hoffnung auf Veränderung durch politisches Handelns aufgegeben haben. Wie jung, Walter, bist du dagegen.

Dieses Jahr feiert unsere Partei ihren 150.Geburtstag. Ich weiß, dass du oft mit dieser, deiner Partei gehadert hast. Aber eines war sie immer: Sie war und ist die Partei der Freiheit des Geistes, sie war und ist die Partei des Friedens, sie ist die Partei der Hoffnung, die denen Hoffnung gibt, die keine Zukunft für sich sehen. Wie sagte unser Parteivorsitzender Sigmar Gabriel in Sindelfingen: „Wenn Menschen nicht mehr daran glauben, dass sich Engagement lohnt: Das wäre das Ende der Sozialdemokratie. Ich glaube sogar, das Ende der Demokratie“.

Du, Walter, hast immer daran geglaubt, dass man durch Engagement die Welt verändern kann. Das macht dich so vorbildlich gerade auch für viele junge Menschen. Wir sind stolz dich in unseren Reihen zu haben und wir freuen uns, dass du es uns erlaubst, dich zu unserem Ehrenvorsitzenden zu ernennen. Bei aller Bescheidenheit: Du kannst diesen Titel annehmen, du hast ihn mehr als verdient.

 

Bodo Philipsen

 

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