"Name ist keine Ehre" lokalpolitische Kolumne von Günter Achilles

Veröffentlicht am 25.06.2013 in Presseecho

Gäuboteartikel vom 25.06.2013

Hindenburgstraße: Dieser Name ist weder Ehre für die Stadt noch für die Person. Er ist eine fortwährende Schande für unser Gemeinwesen, da es nicht die Kraft findet, diesen unseligen Namensstreit endlich zu beenden.

Ein Symbol der Machtergreifung durch einen bereits gleichgeschalteten Gemeinderat, zu Ehren von Personen, die mit Herrenberg nichts zu tun hatten, aber reichsweit Demokratie abschafften und Terror, Unterdrückung und Mord zur Alltäglichkeit machten. Als letzter bewusster Zeitzeuge im Gemeinderat Herrenberg, der Krieg und Bombardierung in einer völlig zerstörten Großstadt mit seinen drei Geschwistern und der Mutter - der Vater war seit 1940 als Soldat im Krieg - nur durch unzählige Bunkeraufenthalte überlebt hat, kann ich zu diesem Schandnamen nicht schweigen.

In meinem Bücherschrank steht seit 1960 "Der gelbe Stern" von Gerhard Schoenberner über die Judenverfolgung der Nazis. Der Zeittafel dieses Buches entnehme ich das "ehrwürdige" Handeln Hindenburgs in den Jahren 1933 und 1934: Es beginnt mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und es folgen ein allgemeines Demonstrationsverbot, die Ernennung von SA und SS zur Hilfspolizei, die Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand, die Aufhebung der demokratischen Grundrechte, das Ermächtigungsgesetz (mit Hilfe der bürgerlich-konservativen Kräfte und Parteien), der Boykott aller jüdischen Geschäfte, der Ausschluss aller "nichtarischen" Beamten, die Auflösung der Gewerkschaften, die Gründung der Gestapo, die reichsweiten Bücherverbrennungen mit dem Verbot jeder demokratischen Literatur, die Errichtung des Einparteienstaates, der Widerruf "nichtarischer" Einbürgerungen, der gesetzliche Ausschluss jüdischer Mitbürger aus Kultur und Presse, die wirtschaftliche Kriegsvorbereitung, die Ermordung von circa 200 Personen im Zuge des sogenannten "Röhmputsches" und die Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuss durch die NSDAP. Alle hierzu erforderlichen Gesetze unterzeichnete und verkündete Hindenburg.

Alles findet seine erklärte Zustimmung bis zu seinem Tod im August 1934. Dabei war er weder senil noch geistig umnachtet, sondern sich seines Handelns voll bewusst. Hindenburg hat alle Verbrechen der Nazis voll unterstützt und ideologisch geteilt. Ihm sind daher Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzulasten. So eine Person kann auch in Herrenberg kein Vorbild sein. Stadtverwaltung und Presse sollten sich daher nachhaltig für eine Namensänderung einsetzen; auch, um nicht in Zukunft bei anderen Gelegenheiten unglaubwürdig zu werden.

In dieser Frage darf auch eine geringfügige materielle Betroffenheit der Anwohner keine ausschlaggebende Rolle spielen, denn bei einer aktuellen Eingemeindung in Niedersachsen müssen circa 40 (!) Straßennamen geändert werden und alle Beteiligten sehen keine Probleme; und in Herrenberg schon eine Straßenumbenennung?

Auch die möglicherweise verklemmten Schuldgefühle sogenannter bürgerlich-konservativer Kreise, deren ideologische Vorgänger im Reichstag das Ermächtigungsgesetz mit beschlossen haben, sollten ihre Vorbehalte aufgeben. Denn mit dem Namen Hindenburg wird es auch in Zukunft in Herrenberg keinen demokratischen Frieden geben. Zu viel Schande ist mit diesem Namen verbunden, und er gibt kein Vorbild für unsere Generation ab. Er hat weiß Gott wirklich als Teil unserer Geschichte in keinem Straßennamen etwas verloren. Die, die das Gegenteil behaupten, konnten doch nach der Wende 1990 gar nicht schnell genug im Osten Deutschlands sein, um die vielen nach Ulbricht, Grotewohl, Stoph usw. benannten Straßen und Plätze umzubenennen. Teil der Geschichte?

Am besten überlegen wir alle gemeinsam - Bevölkerung, Gemeinderat und Stadtverwaltung - wie zukünftig die Hindenburgstraße genannt wird, damit endlich wieder Frieden in dieser Frage einzieht.

 

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