Demokratie leben

Veröffentlicht am 30.04.2018 in Presseecho

Lokalpolitische Kolumne im Gäuboten vom 30.04.2018

Meine Meinung

Von Bodo Philipsen, SPD-Fraktionschef im Herrenberger Rat

Wie viele Jahre zuvor konnte die Stadt auch letzte Woche wieder zahlreiche Bürgerinnen und Bürger für ihr ehrenamtliches Engagement auszeichnen. Viele Menschen investieren einen Großteil ihrer Freizeit in ein Engagement für unser Gemeinwesen. Sie kümmern sich um ältere Menschen, die einsam sind, um Flüchtlinge, die fern der Heimat Fuß fassen müssen, um das Glockenmuseum oder um Kinder und Jugendliche, die Sport treiben wollen.

Ohne den bewundernswerten Einsatz dieser Menschen wäre unsere Gesellschaft kälter und unmenschlicher, vieles würde schlicht überhaupt nicht mehr funktionieren. Überwältigend viele Bürger wollen jetzt ehrenamtlich Schöffe am Amtsgericht werden. Die Fraktionen können die vielen Anträge gar nicht berücksichtigen. Wie schön wäre es, wenn ähnlich viele Bürgerinnen und Bürger bei den Fraktionen anfragen würden, ob sie für den nächsten Gemeinderat oder Ortschaftsrat kandidieren könnten.

Leider nimmt das Interesse im politischen Bereich ständig ab, selbst die Wahlbeteiligung wird bei Kommunalwahlen immer geringer. Wenn Demokratie aber funktionieren soll, muss sie von vielen gelebt werden. Wenn Bürger zum Teil zu Recht den Eindruck haben, ihre Positionen werden nicht ausreichend vertreten, dann hilft nicht schimpfen und beleidigen oder das Verbreiten von Fake News, sondern nur die Bereitschaft zum aktiven Mitwirken.

Lebendige Demokratie ist mehr als das reine Ankreuzen alle vier Jahre. Übrigens müssen auch im Wahllokal immer Ehrenamtliche sitzen. Wir als SPD hatten beantragt, dass auch für diese Aufgabe im Grundsatz alle Bürger herangezogen werden sollten. Demokratie ist anstrengend: Sie verlangt, dass ich mich informiere (da ist es bedrohlich, wenn immer mehr keine kommunalen Informationen lesen), dass ich begründbare Positionen beziehe (da ist es bedrohlich, wenn Algorithmen in sozialen Netzwerken die Leser nur mit Meinungen versorgen, die sie sowieso schon haben), dass ich Wege kenne, meine Meinung einzubringen (da ist es schlimm, wenn die, die für etwas eintreten mit Hass und Bedrohungen konfrontiert werden), vor allem aber auch die Fähigkeit Kompromisse zu schließen (da ist es schlimm, wenn dies als „Verlogenheit“ angesehen wird). Und: Ohne Menschen, die bereit sind, ihre Freizeit ehrenamtlich für Politik einzusetzen, kann es keine demokratische Willensbildung geben. Abstimmungen im Internet werden die komplexen Debatten um die Sache nie ersetzen können.

Eine Gesellschaft, die alles in professionelle Hände gibt, die nur gegen Geld Hilfe und Zuneigung erbringt, ist keine lebenswerte. Eine Demokratie, in der nur wenige aktiv sind und die anderen von den Zuschauerrängen faule Tomaten werfen, ist keine lebendige Demokratie.

Die friedensstiftende Magie der Mehrheitsentscheidung verliert dann an Bindungskraft und die Macht der Starken gewinnt die Oberhand. Es sind die Schwächsten, die dann am meisten verlieren.

 

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